Gibt es Geist ohne Materie?
Physikalisch sind Begriffe keine Moleküle oder auch Zellen (z.B. Neuronen) im Gehirn, sondern bewusstseinsfähige, gespeicherte und aktivierbare Strukturen, die mit den Zellen des Gehirns und ihren Verbindungen untereinander gebildet sind. Solche Muster kann man als emergente Entitäten ansehen. Ebenso ist bewusste Gehirntätigkeit, ob in Begriffen oder nicht, ein zeitlich stattfindendes Geschehen in den aktivierten neuronalen Mustern, bei dem diese zugleich verändert werden.
Die Theorie mancher Neurowissenschaftler, Gedanken und Begriffe seien, als semantische Information, etwas „Immaterielles“ und nicht identisch mit der sie erzeugenden Neuronenaktivität, stammt aus der (vielleicht unüberwindlichen) Trennung von 1.- und 3.-Person-Perspektive (1PP/3PP).
Diese Trennung hat möglicherweise ihren Grund in der Tatsache, dass jedes Lebewesen ein abgeschlossenes Subjekt ist und als dieses wie eine Blackbox erscheint. Mit ihren Instrumenten und Methoden kann sich deshalb die neurologische Forschung der Gehirntätigkeit eines Subjekts buchstäblich nur „von außen“ (3PP), als einem physikalischen Geschehen annähern, während sich das Subjekt (1PP) seiner eigenen neuronalen Vorgänge nur als Bedeutungen, Bilder, Klänge, Gefühle… und eben nicht als molekulare elektrische Wechselwirkung bewusst wird.
Bis heute ist mit Methoden der neurologischen Forschung semantische Information im Gehirn eines Subjekts aus der 3PP nicht als Bedeutung erfahrbar; die 3PP kann allenfalls die zugrundeliegende neuronale Aktivität eines Denkvorgangs beobachten, und das Subjekt kann danach mitteilen, was es gedacht oder gefühlt hat. Anschließend könnte man z.B. aus einem wiederkehrenden neuronalen Muster näherungsweise auf dessen Bedeutung schließen.
Es widerspricht physikalischen Erkenntnissen und ist m.E. auch philosophisch ein entscheidender Irrtum, Begriffe und semantische Bedeutung als besondere, nichtmaterielle Entitäten aufzufassen, die („rein geistig“) unabhängig und losgelöst von jedwedem Träger oder Medium existieren und deshalb auch nicht kausal wirksam sein könnten. Zwar kann man spekulieren, ob die physiologischen Vorgänge, die Bildung neuronaler Muster im Gehirn beim Interpretieren, „Erkennen“, schon identisch sind mit den subjektiven Erlebnisgehalten, oder ob das Gehirn aus den elektrischen Impulsen auch noch ein „Feld“ aufbaut, mit dem dann erst das Erleben entsteht. Beiden Fällen liegt aber ein reales physikalisches Geschehen zugrunde.
Nur wenn man den Geist als etwas Übernatürliches bezeichnet, entsteht das Problem, der Energieerhaltungssatz werde verletzt, wenn ein Gedanke ein physisches Geschehen zur Folge hat. Aber Gedanken und Begriffe schweben – als semantische Information, als Bedeutung der genannten Muster für das Subjekt – nicht in höheren Sphären. Sie sind physisch in den neuronalen Strukturen kodiert (dies höchstwahrscheinlich individuell ganz verschieden) und können durch neuronale Aktivität „bewusst werden“, d.h. zeitweilig in einer besonderen Hirnstruktur präsent sein.